läuft uns die Zeit davon?

veröffentlicht: Juni 16, 2018 von Ursula Küppers

Uhr, blauWir suchen das, was wir fürchten

Anfang und Ende, Leben und Tod. Die Zeit läuft uns davon.
Seit der Zeitstrahl unsere Privatsphäre durchdringt, machen wie die Nacht zum Tag.

Der Anfang und das Ende bilden, seit der erste Mensch denken kann, eine Ur-Erfahrung. Wir beobachten, wie die Sonne unter- und am nächsten Tag wieder aufgeht. Wir sehen, wie die Jahreszeiten kommen und gehen. Wir erleben die Geburt und den Tod.
Erlebnisse wie diese sind Wendepunkte, an denen sich Anfang und Ende ablösen.

Es ist für uns selbstverständlich, dass wir irgendwann zur letzten Seite des Buches blättern. Genauso wissen wir, dass unsere erste Liebe irgendwann mal vorbei ist und wir unser Leben kaum zurückspulen können, um all das noch einmal zu erleben. So kommt das Phänomen Zeit ins Spiel.

Unsere Erfahrung mit der Zeit bestimmt also unsere Vorstellung vom Anfang und vom Ende.

Schon unsere Urahnen hatten ein primitives Zeitgefühl. Ihre Erfahrung mit Sonne und Mond und ihren verschiedenen Gesichtern am Himmel brachte ihnen eine vage Vorstellung von der Tageszeit. Doch bald wollten die Menschen die Zeit auch messen. Die Ägypter waren die Ersten. Sie maßen die Zeit mit Hilfe einer mechanischen Konstruktion: der Sonnenuhr. Dazu steckten sie einen Stab in den Boden und lasen am Schattenbild die Tageszeit ab.

Der Zeitbegriff in dieser frühen Phase der menschlichen Zivilisation war im Gegensatz zu heute ein ganz anderer. Durch die Beobachtung des regelmäßigen Wechsels von Helligkeit zu Dunkelheit, der sich wiederholenden Jahreszeiten und die Wiederkehr bestimmter Himmelskörper, entwickelte sich die Vorstellung eines Kreislaufes. In einem Kreislauf fehlen Anfang und Ende, daher verspricht er Hoffnung und Ewigkeit. Diese Idee von der sogenannten zyklischen Zeit löste im Laufe der Weltgeschichte immer weiter eine andere Idee ab: der Zeitstrahl.

Die Angst wächst

Der Zeitstrahl ist zwar in beide Richtungen offen, läuft jedoch  kontinuierlich in Einklang mit der Zeit nach rechts. Auf diesem Strahl setzen wir Abschnitte für Anfang und Ende eines Ereignisses. Früher fand man diese Zeitstrahlen in Geschichtsbüchern und bei physikalischen Experimenten, heute benutzt sie das größte soziale Netzwerk der Welt, um unsere persönlichen Ereignisse mit einer timeline zusammenzufassen. Mit wem hast du dich 2012 alles angefreundet? Welches Ereignis hat einen neuen Lebensabschnitt eingeläutet? Wo warst du überall in diesem Monat?

Die lineare Zeit erobert unser Privatleben. Und damit wächst die Angst vor ihr.

Die Angst vor dem Ende der eigenen Zeit treibt uns in einen wahnwitzigen Wettkampf gegen die Zeit, der unsere Schritte auf der Straße beschleunigt, unseren Blick ständig auf Uhren wandern lässt, die Terminkalender mit Treffen und Verpflichtungen überquellen lässt. Während wir süchtig nach Geschwindigkeit werden, treibt uns die Angst vor der Langeweile in die Falle. Die Angst vor der Zeit führt uns zu einer Rebellion. Wir versuchen die Zeit zu ignorieren. Wir verbringen sie mit Tanzen und Trinken, um alles wenig Angenehme zu vergessen. Unser Bedürfnis nach Schlaf versuchen wir mit Kaffee und Weckern zu überwinden, um den letzten Rest der Zeit zusammenzukratzen.

Der Wunsch, das Uhrwerk der Zeit ausschalten zu können und zu entspannen ist dann am größten, wenn die Zeit am knappsten ist und uns davonläuft.

Dieser stetige Erlebnisdrang ist nur ein Symptom der Krankheit unserer Gesellschaft, die sich vor der Zeit fürchtet. Diese Zeit verbreitet sich wie die Pest. Versteckt in allen Weisheiten, schlummern dennoch zwei Medikamente gegen die Krankheit der Zeit: der Mut und die Vernunft.

Den ersten Weg beschreiten die Mutigen mit gelassener Haltung gegenüber dem Anfang und dem Ende. Anstatt sich von der Furcht vor dem vermeintlich fremden Nichts lassen sie sich von der Neugier antreiben, es mit Leben zu füllen. Genau wie jedes Buch, jeder Film ein Ende anstrebt, tun wir das auch. Wer würde gerne ein Buch lesen oder einen Film anschauen, wo das Ende fehlt? Eher würden wir das Buch zuklappen oder das Kino verlassen: tatsächlich suchen wir alle das Ende. Mit dem Verstand und der Vernunft können wir abwägen, ob wir unser Leben nach einer Mess-und Wettbewerbssucht richten wollen oder ein selbstbewusstes Verhältnis zur Zeit entwickeln. Ziehe ich die Uhr an oder lasse ich sie weg?

„Es ist unmöglich, zweimal in den selben Fluss zu steigen“, stellte einst der griechische Philosoph Heraklit fest.
Wie der Fluss fließt die Zeit. Sie behält zwar konsistent ihre Form, ändert sich jedoch gleichzeitig.
Beim Fluss der Zeit gibt es weder einen Anfang, noch ein Ende.
Was uns bleibt ist die Erinnerung.

Schenken wir wieder der Frage Beachtung, ob die Strömung warm oder kalt ist und ob wir mit unserem Fluss der Zeit den Durst des Lebens löschen können.

(aus: Dürener Zeitung (Zeitung und Schule) Von Alexander Kauschanski)
(eingereicht und sprachenergetisch bereinigt von Ursula Küppers)

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Foto: pixabay

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