Mein Bild von Gott ist mit mir gewachsen
von Josefa
veröffentlicht: Dezember 21, 2019

Buch, offenWann ist mein erstes Gottesbild entstanden? Seit wann habe ich denn bewusst ein Gottesbild?
War ich damals 4 Jahre? Jedenfalls spielte ich in meiner Spielecke im Schlafzimmer meiner Großeltern. Ich erinnere mich noch sehr gut an die beiden Bilder über den Betten. Neben der Mutter Maria – die huldvoll lächelte – hing das Bild von Jesus Christus. Es stellte einen jüngeren Mann dar, mit langen, welligen, dunkelbraunen Haaren und einem ebensolchen Bart. Die Finger der linken Hand waren auf sein Herz gerichtet, das man auch sehen konnte, die Finger der rechten Hand waren zu einem Schwur erhoben. "Ein ganz lieber und gütiger Gott" – sagte meine Oma immer.

Dieses Bild begleitete mich einige Jahre, bis ich in die Schule kam. Ab der ersten Klasse hatten wir einen Hochwürden, der Eder hieß. Zum ersten Mal in meinem Leben wurde mir vor Augen geführt, dass der ganz liebe und gütige Gott ab sofort eine andere Rolle zu spielen hatte. Dies stand dann auch in meinem neuen Religionsbuch. Mein Kleinkind-Gottesbild wandelte sich in das Gottesbild eines Schulkindes. Ich stand einem strafenden Gott gegenüber, mit dem ich wahrlich wenig anfangen konnte. Plötzlich hatte der Himmelvater graue Haare, einen stechenden Blick, einen sehr strengen Gesichtsausdruck und gütig und allwissend lächeln hatte der schon lange abgelegt. Und zu allem Überfluss lag auch ein dickes Buch auf seinen Knien, in dem alle meine Sünden stehen sollten. Ich gebe zu, dass mir damals schon der Schreck in die Knochen gefahren ist. Und wenn ich unseren Herrn Hochwürden anschaute, der ja unseren gerechten Herrgott in unserer Klasse vertrat, war schon auch eine gehörige Portion Angst vor Gott da.

So fehlte mir auch der Mut, in die Regenpfützen zu springen, bevor ich mich vergewisserte, ob eventuell doch der Herrgott mit dem strafenden Finger irgendwo hinter den Bäumen oder Büschen lauerte, um ja für Ordnung zu sorgen. Auch vermied ich ab diesem Zeitpunkt, in die Pfützen zu spucken, so wie ich es des öfteren von den alten Männern gesehen habe. Aber vielleicht fehlte
dem Herrgott der Mut, den alten Männern Angst einzujagen, denn die hatten ja immer ihre Hacklstecken dabei. Wer weiß, vielleicht drohten sie Gott dann auch damit. Mir fehlte leider eine solche Waffe.

Dann kam für mich eine einschneidende Zeit – mein Umzug nach Deutschland. Eine Leidenszeit, in der für Gott der Platz gänzlich fehlte.

Erst als ich in die Realschule kam, die von den Armen Schulschwestern zu unserer lieben Frau geführt wurde, war Gott schlagartig wieder jeden Tag präsent.
Die Klosterschwestern kamen mir alle sehr heilig vor – na ja, sie standen auch mit dem Herrgott auf du und du. Sie waren auch mit ihm irgendwie verheiratet, was mir sehr fraglich vorkam. Soviel hatte ich mitbekommen: ein Mann durfte nur eine Frau heiraten, wieso durfte Gott so viele Bräute haben? Für mich war das mysteriös. War das Sünde? Ist vielleicht dieser vielgepriesene und erhabene Gott doch (nicht) etwa ein Sünder? Das ist ausgeschlossen, das wäre doch Gotteslästerung.

Angeleitet durch die Frömmigkeit der Schulschwestern tat ich nun auch mehr oder weniger meine religiöse Pflicht. Wenn die Nonnen mit uns Schwierigkeiten hatten, hielten sie uns immer Gott vor Augen, der doch für unsere Sünden gestorben ist und auch an uns Gerechtigkeit üben würde. Welche Gerechtigkeit meinen die Nonnen denn? Gott ist doch selbst ein Sünder. Ich war völlig durcheinander. Mein Kindgottesbild, das ich mit 13 und 14 Jahren noch in mir trug, war liebevoll, gütig, verständnisvoll und so gar anders als strafend. Die Welt war mir ein großes Rätsel. Hatten die Erwachsenen einen anderen Gott? Oder haben sie sich einfach einen herrischen Gott ausgesucht, der ihnen half, sich bei den Kindern durchzusetzen?

Da ich damals auf viele Fragen ohne Antwort blieb, war auch Gott für mich abgeschrieben.

Gott zu spüren, misslang mir dann lange Zeit – er hatte mich verlassen.
Mein Gottesbild war also wieder für einige Jahr verschollen – bis März 1973, als meine Tochter Michaela zur Welt kam – für mich ein Wunder. Dieses kleine Menschenkind – ein Funke Gottes. Tief in mir war Glückseligkeit, die nach außen drang.
Dieses Glück, meine Zufriedenheit und mein tiefer Dank strahlten für die nächsten Jahre mit allem und jedem um die Wette. Das war Gott.

Dann kamen die Prüfungsjahre, ja Schicksalsjahre. Verzweiflung, Angst, Trauer, Hader – ich zog das ganze Register und verachtete Gott zutiefst, den ich auch für die schwere Krankheit und den Tod meines Mannes verantwortlich machte.
Für meine Einsamkeit, Hilflosigkeit und Verlassensein machte ich Gott – diesen gnädigen Gott – verantwortlich.

ICH HABE NICHTS BEGRIFFEN!

Nach und nach wurde mir (ober-)bewusst, dass in mir die Kraft saß, Kummer, Schmerz, Angst und alle Sorgen zu überwinden, da Gott in mir ist.

Mein Bild von Gott ist mit mir gewachsen – ja erwachsen geworden.

In all den Jahren ist in mir eine tiefe Demut entstanden, die mich meinem Gott näherbrachte und weiterhin näher bringen wird.
Alles ist in mir angelegt – und ich freue mich auf weitere Wandlungen meines Gottesbildes.

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