Momo lässt grüßen
von Marina Lampert
veröffentlicht: Mai 30, 2018

SchildkröteEin paar Stunden Wartezeit hatte ich am Mittwoch. So saß ich vor einem großen Bürokomplex eines Finanzunternehmens und konnte beobachten. Da liefen schwarz und grau bekleidete Menschen beiderlei Geschlechts mit verdrossenen Mienen in das Gebäude hinein. Eiligen Schrittes mit der Aktentasche an sich dranhängend, wurden Treppen erklommen, Fahrstühle bestiegen und Türen geöffnet. Die ganz Mutigen unter Ihnen trugen ein gewagtes Dunkelblau. Und ab und zu gab es Damen, die sich sogar trauten, bunte Tücher um den Hals zu tragen.

Da – sehe ich richtig? Da schlendert eine bunt bekleidete Mutter mit Ihrem ca. 4-jährigen hüpfenden, springenden und ein Liedchen trällernden Sprössling an der Hand an mir vorbei in den Bäckerladen. Lachend kommen beide wieder heraus und ihr Weg wird fortgesetzt. Kann es sein - hatte die Kleine eine Stoffschildkröte unter dem Arm? Die beiden steuern auf den Gebäudekomplex zu, sich fröhlich unterhaltend. Ein herrlicher Anblick in all dem tristen Grau.

Diese Firma scheint einen Betriebskindergarten zu haben, damit die Mamis auch rechtzeitig wieder in das Berufsleben einsteigen können.

Schade, das war nur eine kurze fröhliche und bunte Episode. Ich beaobachtete weiter: viele Menschen führten Selbstgespräche, wild auf und ab laufend oder gestikulierend – meinte ich. Es verhielt sich anders:

Diese Menschen hatten sich zum Sklaven der Technik gemacht. Allzeit bereit für irgendwelche ach so wichtigen Anrufe, hatten sie ihr Handy im Ohr eingestöpselt. Ein seltsamer Anblick bot sich mir. Mich beschlich die Frage: "Wozu dieses Tempo, diese Hast und Hektik? Vor was laufen die davon? Oder rennen die alle so, damit sie möglichst schnell wieder aus diesem Gebäude rauskommen?" Der Gesichtsausdruck ließ mich dann Letzteres annehmen.

Gedanken woben sich durch meinen Kopf: "Wo ist die Leichtigkeit und Freude bei der Arbeit? Haben die grauen Herren, die Zeit-Eintreiber und Zeit-Sparer schon von uns allen Besitz ergriffen? Ist dies das im Buch Momo von Michael Ende beschriebene Ende unserer Zeit? Das Ende der Phantasie, der Liebe und unseres Lebens?"

Lasst uns alle zu der kleinen struppigen Heldin des Romans werden, lasst uns mit Blumen in der Hand (für mich stehen sie für Leben und Liebe) und der Schildkröte unter dem Arm (ist für mich das Sinnbild für Weisheit und die Möglichkeit, ganz bei sich zu sein) die grauen Mächte stoppen und verwandeln:

Jeder von uns kann zu einer Momo werden.

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Foto: KnellerGifs